Geschichten einer Stadt
Ein epochaler Abriss der Geschichte von Baltopolis

Nach Baltus - ein kurzes republikanisches Zwischenspiel
Nach Baltus Ableben erfreute sich Baltopolis schon bald unverhoffter Freiheit und unternahm erste Gehversuche in Sachen politischer Eigenständigkeit. Nach derzeitiger Deutung historischer Quellen ähnelte die damalige Regierungsform einer Republik, geführt von einer Versammlung freier Männer. Man darf hier spekulieren über den Einfluss der gewiss nicht von Baltus praktizierten zivilisierteren Seite der nordmännischen Kultur.


Die Rache des Nordens
Viele Geschichten erzählte man sich im Norden über die Reichtümer des Südens und die Schönheit Ar'charidischer Frauen. Baltus war zwar tot und sein Reich zerfallen. Doch die Städte im Süden trugen immer noch seinen Namen. Ein Erbe, dass nur darauf wartete, angetreten zu werden. Gegen Ende des 6. Jahrhunderts wird die Stadt von einem erneuten Einfall der Nordmannen überrascht. Die Erben des Baltus machen ihren Herrschaftsanspruch mit Feuer und Schwert geltend. Doch nach Streit und Fehden innerhalb der Nordmänner endet auch diese Herrschaft nach etwa 50 Jahren.


Die Scheichs von Ar'Charad
Lange Zeit hatten die Scheichs und Wüstenherren jene Hafensiedlung beobachtet. Sie sahen zu, wie sich jene unbedeutende Karawanserei zwischen alten Ruinen als Kolonie der seefahrenden Nordmänner zu einer aufstrebenden Handelsstadt mauserte. Mit einiger Verwunderung und nicht weniger Unbehagen verfolgten sie die ersten demokratischen Experimente auf dem Ar'Charidischen Kontinent. Als nun das Ende Herrschaft der Nordmänner ein gespaltenes und verunsichertes Baltopolis zurückliess, nutzten die Kamelherren die Gunst der Stunde. Über mehrer Jahrhunderte gaben nun die Scheichs den Ton in der Stadt an.


Ein Krieg bringt neue Freiheit - Baltopolis im Städtebund
Zu Beginn des 12. Jahrhunderts gipfeln Spannungen konkurrierender Handelsinteressen zwischen Uberia und Ar'charad in einem Krieg der beiden Reiche. Durch den Waffenstillstandsvertrag erhält Baltopolis im Jahre 1111 seine Unabhängigkeit zurück. Als aristokratische Räterepublik enagiert sich Baltopolis in dieser Zeit in einem losen Städtebund verschiedener Hafenstädte.


Fremde Könige
Das erblühende Baltopolis mit seinem lukrativen Seehandel ruft einmal mehr die neidischen Kamelherren auf den Plan. In Baltopolis wächst die Furcht vor den wilden Horden der Wüste. Aus Angst vor den Scheichs bietet Baltopolis schliesslich zu Beginn des 15. Jahrhunderts einem Uberianischen Prinzen das Kalifat über die Stadt an, das dieser nur zu gerne annimmt. Von da an wandert das Kalifat durch die Hände diverser Adelsgeschlechter aus Übersee. Diese fremden Könige regieren Baltopolis mit wechselndem Erfolg, denn kaum einer von ihnen vermag sich mit dem schnellen und launigen Naturell der Stadt anzufreunden.


Das Reich der Schahs - Baltopolitische Geistlichkeit
Der zunehmende Unmut ob der glücklosen Fremdherrschaft artikuliert sich in einer religiösen Bewegung, die nach einem kurzen aber heftigen Bürgeraufstand im 17. Jahrhundert die Macht an sich reisst. Nach mehreren Generation einer Diktatur der Geistlichkeit übernimmt schliesslich ein radikaler und fanatischer Flügel der Priesterschaft die Macht. Es kommt zu dunklen Messen und bestialischen Blutopfern zu Ehren grausamer dämonischer Götzen.


Der Bürgerkrieg und das "konstitutionelle Kalifat"
Es dauert nicht lange bis sich in der von der blutigen Tyrannei geknechtete Bevölkerung der Widerstand formiert. Nach ersten Erfolgen zersplittert der spontane Bürgeraufstand. Baltopolis rudert kopflos in die Anarchie während zahlreiche politische Fraktionen um die Vorherrschaft in der Stadt kämpfen. In der düsteren Atmosphäre unmittelbarer Bedrohung durch die immernoch aktiven Dämonenkultes einerseits und die Formierung der Ar'Charadischen Wüstenstämme andererseits setzen die Bürger der Stadt ihre verzweifelte Hoffnung auf die verschiedensten Heilsphantasien und Regierungsmodelle. Unterstützt von einflussreichen Familien der Stadt gelingt es schliesslich einem Erbe der alten Kalifen die politischen Kräfte unter sich zu vereinen. Als Zugeständnis erhalten mehrere Familien und Gilden mehr Macht und Mitsprache in der Stadt, insbesondere wird die Erblichkeit des Kalifats abgeschafft.


Ein Goldenes Zeitalter, Blüte der Wissenschaften, Al'Hazred
Selbstbewusstes und kreatives Kaufmannstum zeichnen die nun folgenden Jahrhunderte aus. Der Überseehandel verhilft vielen Familien zu ansehnlichem Reichtum. Günstige und stabile politische Verhältnisse verhelfen auch den schönen Künsten der Wissenschaft in der aufstrebenden Handelsmetropole zu neuer Blüte. Um die Jahrtausendwende (2000) gründet der namenhafteste aller südlichen Alchemisten, Al'Hazred, seine "Schule der geheimen Künste" in Baltopolis.


Erloschene Blüte?, die hohe Kunst der Diplomatie, Ende des Städtebundes
Da dem gebildeten Leser die historisch relevanten Bewegungen des dritten Jahrtausends geläufig sein dürften, erlaube ich mir mich auf einige Bemerkungen nur neuzeitlichen Situation nach 2900 zu beschränken. Nach der Auflösung des Städtebundes beginnt für Baltopolis die Suche nach einer Identität jenseits politischer Megalomanien und imperialer Phantasien. Der Überseehandel ist zwar noch immer lukrativ und beschert der Stadt überdurchschnittliche Einnahmen, doch das Gold fliesst nicht mehr so reichlich wie in vergangenen Tagen. Überdies gibt es derzeit genug Konkurrenten, die der Stadt den Rang der ersten Handelsstadt im Süden streitig machen wollen. "Wohin nun, Baltopolis?" mag sich der politische Visionär nun fragen. Doch die Bürger dieser Stadt haben sich über derlei Dinge noch selten einen Kopf gemacht. Man feiert ausgelassen wie eh und je, man erfreut sich an den schönen Künsten und beruft sich auf die alte Tradition der feinen Diplomatie für die Baltopolis weit über den Ar'charidischen Kontinent hinaus bekannt war und ist. Denn noch immer gilt es als prestigeträchtig, eine Botschaft in Baltopolis zu unterhalten, auch wenn es eigentlich nicht viel Weltbewegendes zu verhandeln gibt. Kurzum, das Leben geht weiter, und zur Mittagsstunde trinkt man im Schatten der Palmenhaine den heiss-süßen Tee noch genauso wie zu Al'Hazreds Zeiten - auch wenn es immer öfter auch einmal ein Schüvüttscher Mocca sein darf.