Vom Krieg der Götter
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Vor aller Materie, vor allen Wesen, die heute die Welt bevölkerten, waren die Götter. Ihre Ursprünge liegen weit hinter der Entstehung der Welt; dies ist gewiß. Ihr Ursprung ist jedoch auch uns unbekannt; doch in einigen uralten Werken der Elben wird gemutmaßt, daß es noch eine Macht über ihnen gebe; in einigen wird sie das Schicksal genannt.

Nun, als die Götter erkannten, daß sie in einem leeren Raum lebten, begannen sie darüber nachzudenken, was sie nun anfangen sollten, denn sie waren alle voller Ideen und Pläne, und es gab doch nichts, worauf sie sie richten könnten. Und so erschufen sie die Welt.

Nun tat sich einer unter ihnen besonders hervor, sein Name wird unter Sterblichen nicht genannt. Und so groß die Ideen und Pläne waren, die sein Denken beherrschten, so groß war seine Ungeduld.

Nachdem die Welt geformt war, mit all ihren Bergen und Tälern, Flüssen und Seen, bemerkten sie, daß dieser Welt noch etwas fehle; denn noch war sie öd und kahl und kein Leben wimmelte auf ihr. Da trafen sich die Götter und sprachen: "Lasset uns nun behutsam vorgehen, denn wir wissen, daß mit dem Leben auch Leid in die Welt kommen kann, wenn es unvollkommen gestaltet wird". Doch der Eine, dessen Name nicht genannt wird, meinte: "Genug gewartet, meine Freunde. Lasset uns Wesen schaffen, die denken können und diese Ödnis beherrschen werden". Und während die anderen Götter die Pflanzen und Tiere erschufen, schuf er die Drachen.

Als die anderen Götter sahen, wie seine Drachen nun die Welt bevölkerten, und sämtliche Pflanzen und Tiere, die sie geschaffen hatten, kraft ihrer ungeheuren Intelligenz und ihren anderen Fähigkeiten, vernichteten, versammelten sie sich eilig und sprachen: "Deine Werke sind unvollkommen, denn böse und grausam. Du hast deinen Kreaturen zwar Intelligenz gegeben, doch dies war voreilig; was bringt Intelligenz ohne die Fähigkeit gute Taten von bösen zu unterscheiden; siehe, viele der schönsten und edelsten Werke, die wir je erschufen, wurden vernichtet; und nur die Einhörner sind von den Kreaturen des Lichts geblieben".

"Nun", sprach der Eine, "dies soll der Lauf der Kreaturen in dieser Welt sein; nur der Starke soll überleben. Was ihr geschaffen, ist zwar ganz hübsch anzusehen, aber was davon gliche nur im entferntesten jener Kühnheit eines Drachen, wenn er in wildem Schwung über sein Opfer herfällt und die Erde mit seiner Glut versengt". Darüber entbrannte ein wilder Streit. Und nicht wenige waren seiner Meinung.

Und die Götter rüsteten sich zu einem schrecklichen Krieg. Viele wurden darin erschlagen, und er dauerte unzählige Äonen, in denen die Welt verwüstet wurde und ihre heutige Gestalt erhielt. Alle, die dem Namenlosen folgten, wurden verletzt und niedergerungen. Und zuletzt auch der Unaussprechliche selber.

Die Götter, die triumphierten, begannen nun die Wunden der Welt zu heilen. Sie schufen neue Landschaften, und endlich, nach einer langen Zeitspanne, schufen sie auch denkende Wesen, die die Welt bevölkern sollten. So entstanden die Elben, die Zwerge, und schließlich auch die Menschen.

Doch der Unnennbare und die Seinen zogen sich verbittert an den Rand der Welt zurück. Viele seiner Drachen waren erschlagen worden, und nur wenige hatten in Kammern tief unter der Erde den schrecklichen Krieg überlebt.

Sie waren alle im Kampf verletzt worden, und wußten, daß sie nun vergehen müßten, wenn es ihnen nicht gelänge, ihre Wunden zu schließen. Und sie erkannten, daß ihre Wunden durch den Tod unzähliger denkender Menschen gelindert, wenn nicht gar geheilt werden könnten.

Und so begannen sie die denkenden Wesen zu verführen. Sie verführten Elben, Zwerge und Menschen, und schufen neue Rassen, Orks, Oger, Trolle, und viele andere, um auch aus deren Tod Gewinn zu ziehen. Und sie schufen die Dämonen, Geistwesen, die ständig versuchen sollten, diejenigen, die ihnen noch nicht dienten, zu verführen.

Und das Unheil nahm seinen Lauf. Die Elben führten einen großen Bruderkrieg, und sie trieben diejenigen, die sich dem Einen, dem Bösen, verschrieben hatten, unter die Erde, wo sie nun als Dunkelelben auf den Tag der Rache warten, um an ihren Brüdern Vergeltung zu üben.

Die Zwerge waren resistenter gegenüber den Versuchungen des Dunklen, doch unter ihnen wuchsen Mißtrauen und Habgier, und sie zogen sich unter die Erde zurück, und bewachten ihre Schätze mit größter Vorsicht.

Doch am anfälligsten für seine Versuchungen erwiesen sich die Menschen. Sie zersplitterten sich in viele Gruppen, führten viele Kriege und begannen unterschiedliche Sprachen zu sprechen.

Als die Götter bemerkt hatten, was geschehen war, entsandten sie Priester, um wenigstens einen Teil wieder gutzumachen und den denkenden Wesen einen Anhaltspunkt zu geben, um nicht den Versuchungen des Dunklen anheimzufallen.

 

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